Vortrag “Biomechanical exposition of the factors influencing the pelvic floor muscle activity”
Ina Adler
Obwohl eine hohe Anzahl an Menschen von Beckenbodenbeschwerden betroffen sind, ist die Literatur inkonsistent und weißt über fundamentale Wissenslücken und Hypothesen werden selten einheitlich beantwortet. Ziel dieser Studie war es die Grundlagen des Mechanismus des Beckenbodens zu untersuchen und die Belastungen auf den Beckenboden, den Einfluss des Kraftangriffspunktes und Beckenkippung qualitativ herauszuarbeiten.
Der erste Schritt dieser Untersuchung bestand darin, alle Kräfte zu erfassen, die auf den Beckenboden wirken.
In dieser Abbildung sieht man die Diskretisierung der Bauchhöhle in Form eines vereinfachten sagittalen Querschnittsmodells des Oberkörpers. Es wirken die Gewichtskräfte der Organe, Zugkräfte von Bandstrukturen, Intra-Abdominal-Druck und die Kraft der Abdominalwand.Da der Beckenboden die untere Begrenzung des Oberkörpers bildet, sind dies alles Kräfte, denen der Beckenboden entgegenwirken muss.
Mit der Aufsummierung dieser Kräfte und Antragen eines theoretischen Ersatzvektors kann man die Kraft, denen der Beckenboden insgesamt entgegenwirken muss, abschätzen.
Die Kräfte innerhalb des Körpers zeigen ein dynamisches Verhalten und verschieben sich im Körper bei Bewegung oder kleinen Haltungsänderungen, wie man in diesen vereinfachten Grafiken qualitativ sehen kann. Der Beckenboden muss sich also in ständiger Bereitschaft befinden.
Für weitere Untersuchungen wurden ein muskuloskeletales Model mit den Muskeln Coccygeus, Iliococcygeus und Pubococcygeus simplifiziert mit dem AnyBody Modellig System generiert.
Um die auf den Beckenboden wirkenden Kräfte zu simulieren, wurde eine Kraft aufgebracht, die der resultierenden Kraft aller zuvor untersuchten Belastungen entspricht, und ihr Angriffspunkt verschoben. Der untersuchte Bereich beginnt an der Spitze des Steißbeins und erstreckt sich 4 cm nach anterior und 4 cm nach lateral.
In diesem Diagramm wurden alle Muskelstränge der rechten Seite summiert. Es zeigt die Muskelkräfte normalisiert auf die Muskelkräfte, die am Ausgangspunkt der Studie wirken. Die Abbildung zeigt, dass wir in der Tat Unterschiede in der Muskelreaktion sehen können, je nachdem, wo die Kraft aufgebracht wird. Grob zusammengefasst nehmen die Muskelkräfte bei einer medialen Verschiebung des Kraftangriffspunktes ab, steigen bei einer anterioren Verschiebung an und variieren um etwa 120 % im Vergleich zum Ausgangspunkt.
Sieht man sich hier alle Muskeln einzeln an sieht man, dass jeder Muskel individuell auf die Verschiebung des Kraftangriffspunktes reagiert. Je nach Muskelgruppe variieren die Kräfte zwischen 100 und 180% im Vergleich zum Ausgangspunkt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Position der Krafteinleitung einen Einfluss auf die Aktivität der Beckenbodenmuskulatur zu haben scheint.
Ähnliche Untersuchungen wurden durchgeführt, indem der Winkel des Beckens um 20 Grad – 10 Grad in jede Richtung – im Vergleich zu einer neutralen Kippung gekippt wurde. Die Kraft wurde an der Position der Steißbeinspitze aufgebracht. Wenn man die resultierenden Muskelkräfte auf diesen Ausgangspunkt normalisiert, lassen sich über diesen 20-Grad-Kippbereich Unterschiede von etwa 20% feststellen.
Betrachtet man die einzelnen Muskeln, so reagieren diese wieder mit spezifischen Verhaltensweisen. Die Veränderung der Muskelkraft schwankt zwischen etwa 10% und 30%.
Die Muskeln scheinen also je nach Beckenneigung und Haltung unterschiedlich auf Belastungen zu reagieren.
Zusammenfassend lassen sich auch in diesem vereinfachten Modell folgende Zusammenhänge feststellen: Schon kleine Änderungen in der Anwendung einer resultierenden Kraft der auf den Beckenboden wirkenden Belastungen führen zu unterschiedlichen Muskelaktivierungen.
Diese Arbeit ist eine erste Untersuchung der Beckenbodenmuskulatur auf der Grundlage theoretischer Überlegungen. Der Fokus liegt hier auf dem grundlegenden Mechanismus der Muskeln und ist durch ein vereinfachtes Muskelmodell mit linearem Charakter der Muskeln und der Vernachlässigung geometrischer Nichtlinearitäten begrenzt.
Um einen kleinen Ausblick zu geben, sind die nächsten Schritte zunächst die Fertigstellung des Muskel-Skelett-Modells, die Hinzufügung weiterer Muskelparameter, die Validierung des Modells und dann die Durchführung einer umfassenderen Parameterstudie auf der Grundlage tiefgreifender Belastungen, die aus Ganzkörperbewegungen resultieren.
Diese vorläufige Studie zeigt, dass die Diskussionen darüber, welche Körperhaltung und Ganzkörperbewegungen für den Beckenboden besser oder schlechter sind, begründet sind. Schon kleine Veränderungen des Kraftangriffspunktes führen zu Veränderungen in der Muskelaktivierung der Beckenbodenmuskulatur. Eine Erweiterung dieses Modells bietet das Potenzial, diese wenig erforschten Muskelgruppen besser zu verstehen und wissenschaftlich fundierte Aussagen darüber zu treffen, was sich positiv oder negativ auf den Beckenboden auswirkt.